Warum Purpose nicht der Zuckerguss, sondern das Backpulver ist.

Fredy Geisser
Fredy Geisser
2 Minuten

In seinem Gastkommentar vom 26.08.2024 in der NZZ beschriebt Attila Albert, dass viele Unternehmen die Sinnfrage in den vergangenen Jahren überstrapaziert und überhöht haben, so dass der Purpose mit den wahren Motiven der Mitarbeitenden und Kunden nicht mehr viel zu tun hat. Dieser Sichtweise stimme ich zu – jedoch nur teilweise. «Purpose ist der Zuckerguss», das kann man für Unternehmen so stehen lassen, die nicht verstanden haben, was ein authentischer und relevanter Purpose zu leisten vermag.

Das sind Unternehmen, die Purpose fälschlicherweise als reines Marketing- oder PR-Tool nutzen, um sich moralisch überlegen darzustellen. Doch diese Sichtweise greift leider deutlich zu kurz. Denn Purpose ist nicht Marketing. Auch wenn schlecht geführte Marken versuchen mit Marketingmassnahmen bei populären sozialen Themen aufzuspringen, um sich damit ein soziales Image zuzulegen. Und Purpose ist auch kein Corporate Social Responsibility. Denn ein nachhaltiges und sozial gerechtes Wirtschaften gehört zu den Hygienefaktoren eines zeitgerechten Unternehmertums.

Purpose als «Masteridee»

Purpose bedeutet also nicht, bei irgendwelchen sozialen Themen zum Trittbrettfahrer zu werden. Purpose heisst, klar und präzise formulieren zu können – und ja, dahinter steckt mehr Arbeit, – «warum» (Blick in die Vergangenheit) und «wozu» (Blick in die Zukunft) ein Unternehmen gerade heute besonders wichtig ist – und zwar für alle relevanten Stakeholder. Purpose wird zur «Masteridee» wie ein Unternehmen wachsen und sich transformieren kann.

Es gibt zahlreiche Unternehmen, die die transformative Kraft ihres Purpose erfolgreich nutzen. Ein exzellentes Beispiel hierfür ist IKEA. Mit ihrem Purpose «to create a better everyday life for the many people» strebt das schwedische Möbelhaus danach, für viele Menschen einen besseren Alltag zu schaffen. Dieses ambitionierte Ziel ist nicht profit-orientiert, sondern purpose-orientiert. Die etwas eigenwillige Formulierung «viele Menschen» betont, was sich das Möbelhaus auf die Fahne geschrieben hat: Clevere Funktionalität und modernes Design zu erschwinglichen Preisen. IKEA möchte jede und jeden mit ihren Möbeln erreichen und «schönes Wohnen» für alle zugänglich machen.

Purpose oder Profit?

Und noch etwas: Die Frage, ob sich ein Unternehmen zwischen Purpose und Profit entscheiden muss, ist abwegig. Sie stellt sich ganz einfach nicht. Das Einzige, was sich verändert hat, ist die Reihenfolge. Früher erwirtschaftete ein Unternehmen Profit und gab einen Teil davon in Form von «Gutmenschentum» an die Gesellschaft zurück. Heute ist es umgekehrt. Unternehmen, die nicht den Umsatz oder den Profit als Ziel ins Zentrum rücken, sondern den Purpose, verhalten sich ganz anders und werden auch anders wahrgenommen. Die Folge wird ebenfalls Profit sein, aber eben nicht der Antrieb.

Willkommen in der Purpose Economy

Warum ist das so? Das ist gesellschaftlich und ökonomisch erklärbar. Gesellschaftlich widerspiegelt sie den Wertewandel vom «Shareholder Value» hin zum «Stakeholder Value». Ökonomisch ist sie die logische Konsequenz aus der Entwicklung der «Information Economy» zur «Purpose Economy». Unternehmerischer Erfolg ist heute nicht mehr einfach nur eine betriebswirtschaftliche Kennzahl, sondern beinhaltet in erster Linie motivierte, engagierte Mitarbeitende und begeisterte, loyale Kunden. Es gilt nicht nur Aktionäre und Investoren zu überzeugen, sondern alle relevanten Stakeholder der Organisation.

Auch Larry Fink hat dies erkannt. Der CEO und Chairman von BlackRock ist sicher unverdächtig, irgendeine romantische Agenda zu verfolgen. Er gehörte bereits 2018 zu den wohl überraschenderen Mahnern, dass Unternehmen ihren Beitrag an die Gesellschaft vermehrt in den Blick nehmen müssen: «Purpose ist nicht das alleinige Streben nach Gewinn, sondern die treibende Kraft, um diesen zu erreichen. Gewinne sind keineswegs unvereinbar mit dem Purpose – im Gegenteil. Gewinne und Purpose sind untrennbar miteinander verbunden.»

A long story short

Wir sehen Attila Alberts Artikel nicht als Argument gegen Purpose, sondern vielmehr als ein Plädoyer dafür, den Zweck eines Unternehmens – denn nichts anderes ist der Purpose – klar und verständlich herauszuarbeiten, um damit einen wichtigen Beitrag für seine Stakeholder zu leisten. Der Vorschlag, den Purpose dem sachlich formulierten Handelsregistereintrag zu entnehmen, ist jedoch zu kurz gesprungen und wenig zielführend. Denn bei diesen oft hölzernen und schwerfälligen Formulierungen kommt das Besondere eines Unternehmens zu wenig durch. So kommuniziert, berührt und inspiriert der Purpose nicht. Und verinnerlicht wird er auch nicht – weder nach innen noch nach aussen. Denn Menschen kaufen nicht mehr bloss «Produkte», selbst wenn sie durch beste Qualität bestechen. Sie kaufen Überzeugungen und Haltungen. In einer Welt, die durch Überangebot, Komplexität und Unsicherheit geprägt ist, kaufen Menschen Orientierung und Sinn.

In den Grundüberzeugungen sind wir uns einig – ein Purpose sollte kein modischer und überhöhter Marketing- und Kommunikationsclaim sein. Oder wie es Attila Albert nennt – der Zuckerguss. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Purpose zum Backpulver wird, das Unternehmen wachsen und sich entwickeln lässt.

Fredy Geisser - Ihr Experte für Purpose- und Visionsentwicklung